Berliner Bär auf Wanderschaft
RHEINPFALZ, Ausgabe Speyer vom Freitag, 5. März 2014
Meilenstein, der Entfernung zur Hauptstadt anzeigt, soll Denkmal werden – Berliner Verein sucht Informationen über Stein in Speyer
Seit einem halben Jahrhundert erinnert in Speyer ein tonnenschwerer Sandstein mit einem aufrecht stehenden züngelnden Bären und der ebenfalls gemeißelten Angabe „BERLIN 660 km“ an die ferne Hauptstadt. Die Arbeit des Speyerer Bildhauer- und Steinmetzbetriebes Grimm an der Straßengablung von Schützenstraße, Dudenhofer Straße und Oberer Landgasse hat jetzt die Chance, als Denkmal anerkannt zu werden.
Das jedenfalls will der seit 1994 bestehende Verein „Berliner Bärenfreunde“. Er sucht alle Berliner Meilen- oder Kilometersteine, die zwischen dem 17. Juni 1953, Tag des Aufstandes im damaligen Ost-Berlin, und dem Mauerfall am 9. November 1989 aufgestellt worden sind. Laut Vereinschefin Christa Junge sind die Standorte von 140 dieser etwa 200 Gedenksteine bekannt, darunter auch von dem in Speyer.
Mehr jedoch nicht. Möglichst genaue Angaben über den „Berliner Meilenstein“ in Speyer zu erhalten ist jedoch laut Junge die Voraussetzung zur Anerkennung als Denkmal.
Der Stein ist nicht zu verwechseln mit dem 1958 eingeweihten 17. Juni-Gedenkstein im oberen Domgarten, geschaffen von Otto Grimm, und auf dem Berliner Platz aufgestellten Berliner-Bären-Obelisken von Franz Müller-Steinfurth.
Recherchen der RHEINPFALZ bei der städtischen Bauabteilung, im Stadtarchiv und in der Landesbibliothek nach der Geschichte des Meilensteines in Speyer waren schwierig und zum Teil vergeblich. Zu ermitteln war Folgendes: Der erste Bären-Stein wurde am 6. Oktober 1963 im Rahmen der Ausstellung „Berlin – Deutschlands Hauptstadt“ der im selben Jahr eröffneten Stadthalle aufgestellt. Nicht etwa dort, wo er heute steht, sondern “am oberen Rastplatz der 1956 fertiggestellten Rheinbrücke“, wie es in einer Einladung heißt. Enthüllt wurde er von dem Berlin-Kreuzberger Bürgermeister Erwin Beck, eine der Ansprachen hielt der Speyerer Bürgermeister Paulus Skopp.
An der Rheinbrücke (heute Salierbrücke) stand der „Bär“ nicht allzu lange. Wann er in die Nähe der Stadthalle „umzog“ ist nicht mehr festzustellen. Zwei Jahre nach Enthüllung war er nach einem Artikel der RHEINPFALZ vom 29. Dezember 1965 nach an der Rheinbrücke anzutreffen, freilich nicht ohne einmal umgekippt zu sein. Das passierte aus einem heute nicht mehr nachvollziehbaren Grund, möglicherweise weil der Boden nach schweren Regenfällen nachgab.
Seine zweite Schieflage verdankte Speyers Berliner Meilenstein bereits seinem neuen Standort – er war einem Verkehrsunfall ebenso wenig gewachsen wie ein Auto. Beide „Umfaller“ hat der nach Schätzung von Steinmetz- und Bildhauermeister Holger Grimm zwischen 700 und 800 Kilogramm schwere Stein unramponiert überstanden. Wann und warum er nahe der Stadthalle aufgestellt wurde, war nicht festzustellen. Vielleicht können RHEINPFALZ-Leser mit guter Erinnerung das „Rätsel“ lösen helfen. (wk)
Zur Sache – Die Berlin-Steine
Den Einfall, mit einem Gedenkstein Berliner Bär samt Angabe der jeweiligen Kilometer-Entfernung an die damals geteilte deutsche Hauptstadt zu erinnern, hatte der Berlin-Beauftragte Gerd Bucerius, Verleger des Hamburger „Stern“ und später Aufsichtsratsvorsitzender der Bertelsmann AG. Seiner Absicht, von 1954 an alle 500 Kilometer einen dieser Stein an den Autobahnen mit dem Berliner Bären zu errichten, nahm sich der Bund der Berliner und Freunde Berlins an (gegründet 1951, aufgelöst 1998; auch in Speyer gab es eine von über 150 Ortsgruppen). Er bewirkte, dass das Symbol in rund 200 Städten errichtet wurde. Die Bären-Meilensteine, deren Symbol die Berliner René Sintenis (1888 bis 1965) geschaffen hatte und die dann überwiegend örtliche Kollegen nachempfanden, wurden aus Bundesmitteln finanziert. (wk)
Mit freundlicher Genehmigung der RHEINPFALZ, Ausgabe Speyer und der Fotoagentur Lenz vom Freitag, 5. März 2014