2018 Atze und Bärolina in Colorado USA
Das Wild Animal Sanctuary ist ein 789 Hektar großes Tierschutzgebiet in der Nähe von Keenesburg, Colorado, USA. Das Heiligtum ist auf die Rettung und Pflege großer Raubtiere spezialisiert.
Das Wild Animal Sanctuary betreibt derzeit zwei Standorte in Colorado mit mehr als 10.000 Hektar! Sie retten Tiere aus schwierigen Situationen in Gefangenschaft und rehabilitieren sie, damit sie in großen natürlichen Lebensräumen mit anderen Artgenossen frei leben und die Natur erkunden können. Derzeit leben mehr als 25.000 Löwen, Tiger, Bären, Wölfe und andere große Raubtiere außerhalb unseres Zoosystems in Amerika.
Die Zeitschrift des The Wild Animal Sanctuary berichtet u.a. über Tiere die neu in das riesige Tierschutzgebiet eingezogen sind.
Wir haben Kontakt den Mitarbeitern des Wild Animal Sanctuary aufgenommen und Kent Drotar hat unsere Fragen beantwortet. Er gestattet uns die Seiten in denen über Atze und Bärolina berichtet wird zu nutzen, da nicht nur wir, sondern auch die Berliner Bevölkerung reges Interesse am Leben der Bärenkinder von 1994, jetzt schon 25 Jahre jung, zeigen.
Wir haben das O.K. für die Nutzung der Seiten 7 bis 9 der Zeitschrift „The Wild Animal Sanctuary“ Winterausgabe 2018 von ihm erhalten. Dafür unseren herzlichen Dank.
Weltbürgerliche Bären dürfen endlich Winterschlaf halten
Man könnte Atze und Bärolina als weltbürgerliche Bären bezeichnen, denn Jetsetten gehört zu ihrem Lebensstil und sie reisen mit Coolness in einem fremden Land. Dennoch hatte dieses wunderschöne Paar gebürtiger Argentinier noch ein paar Dinge über das Leben nördlich des Äquators zu lernen.
Im Alter von 22 bzw. 24 Jahren hatte das Paar sein gesamtes Erwachsenenleben an einem Ort verbracht, an dem die Temperaturen nachts nur selten unter 10°C sanken. Leider tragen solch milde Temperaturen nicht dazu bei, zwei über 900 Pfund schwere Bären vom Winterschlaf zu überzeugen.
Zusammen mit hunderten anderer Tiere mussten die beiden Bären nicht nur den Buenos Aires Zoo, sondern gleich das Land verlassen, nachdem die Regierung beschloss, den Zoo zu schließen. Nach mehr als 140 Jahren in Betrieb war der Zoo schlicht veraltet und soll nach seinem Abriss als „Eco Park“ neu errichtet werden.
Von offizieller Seite wurde bekannt gegeben, dass „dieser einzigartige Raum in ein ökologisches Zentrum verwandelt werden soll, wo die Sorge von Natur und Leben geschützt, erforscht und gefördert werden soll.“ Es wurde aber auch klar gemacht, dass das neue Konzept nicht einheimische Wildtiere ausschließt, was zur Folge hatte, dass alle Tiger, Löwen, Leoparden und andere nicht einheimische Wildtiere gehen mussten.
Leider haben auch viele andere Zoos in Argentinien ihre Türen geschlossen, weshalb es keine Möglichkeit zur Unterbringung im Inland gab. Daher wurde für die meisten der Tiere ein neues Zuhause in Schutzzentren auf der ganzen Welt gefunden und einige der großen Raubtiere wurden in die Vereinigten Staaten geschickt.
Unser Schutzzentrum wurde vor ein paar Jahren von Vertretern des Zoos kontaktiert und wir sagten unsere Hilfe zu. Der Zoo stellte jedoch schnell fest, dass die Logistik des Transports gefährdeter Spezies und anderer großer Raubtiere über internationale Grenzen und über große Entfernungen umfangreiche Planung und vielschichtige Dokumentation voraussetzt.
Es dauerte eine ganze Weile länger als gedacht, bevor schließlich die ersten Tiere die Reise in ihr neues Zuhause beginnen konnten. Was uns angeht, hatte der Zoo gefragt, ob wir Atze und Bärolina ein Zuhause für den Rest ihres Lebens bieten könnten.
Sie hatten Recherchen über alle Schutzzentren in Nordamerika angestellt und festgestellt, dass unsere großflächigen Lebensräume Atze und Bärolina mehr als genug Möglichkeiten geben würden, ein natürlicheres Leben zu führen. Letztendlich wollten alle, dass die Bären sich frei bewegen können und endlich ihre erste Möglichkeit bekommen, Winterschlaf zu halten.
Für Kodiak-Grizzlybären spielt der Winterschlaf eine wichtige Rolle im Lebenszyklus, auch wenn sie in Gefangenschaft leben. Viele der Bären, die wir retten, hatten zuvor nie die Möglichkeit, die fünf Phasen zu durchleben, wie sie es eigentlich jährlich tun sollten.
Die Phasen sind folgende:
- Normale Aktivität,
- Hyperphagie,
- Herbstwandel,
- Winterschlaf und
- Fasten
Natürlich dauert die normale Aktivität vom späten Frühling durch den Sommer hinweg an, wenn die Bären normal leben.
Wenn die Hyperphagie beginnt, nehmen sie zu, um Energie zu speichern. Diese werden sie brauchen, um den Winter zu überleben, wenn ihr normales Nahrungsangebot nicht zur Verfügung steht. In diesem Zeitraum essen und trinken sie exzessiv, um sich für den Winterschlaf zu mästen. Bären mit uneingeschränkten Ressourcen nehmen täglich enorme Mengen von Nahrung und Wasser zu sich, während sie ihren Körper von Giftstoffen entschlacken.
Der Herbstwandel beginnt nach der Hyperphagie, wenn die Stoffwechselprozesse eines Bären sich in Vorbereitung auf den Winterschlaf verändern. Sie fangen an, weniger zu essen, trinken aber weiter, um den Körper weiter zu entschlacken. Sie werden zunehmend träge und ruhen mindestens 22 Stunden am Tag. Ihre Herzschlagfrequenz sinkt von 80-100 auf 50-60 pro Minute und ihre Ruheherzschlagfrequenz sinkt von 60-70 auf weniger als 22 pro Minute.
Ihre Herzschlagfrequenz kann sogar bis auf 8-21 Schläge pro Minute singen, und die Durchblutung der Skelettmuskeln (insbesondere der Beine) kann um 45% oder mehr verringert werden. Das erschwert es manchen Bären, im Winter aufzuwachen und davonzulaufen.
Als Fasten bezeichnet man die 2-3 Wochen nach ihrem Aufwachen im Frühling, wenn ihre Stoffwechselprozesse beginnen, sich auf Sommerniveau zu normalisieren. Während des Fastens essen und trinken Bären freiwillig weniger, als sie es während des Sommers tun würden und scheiden daher auch weniger Urin, Stickstoff, Kalzium, Phosphor und Magnesium aus.
Der Winterschlaf beinhaltet eine kontinuierliche Ruhephase mit deutlich verringerter Herzfrequenz und Stoffwechsel. Überwinternde Bären können bis zu 4.000 Kalorien pro Tag verbrauchen, hauptsächlich verlieren sie Körperfett, aber sie fressen nicht, trinken, urinieren oder entleeren nicht den Darm. Sie reduzieren den Sauerstoffverbrauch um die Hälfte durch nur einmaliges Atmen alle 45 Sekunden.
Daher kann es unerwünschte Folgen für die Gesundheit von Bären haben, wenn sie in warmem oder heißem Klima gehalten werden. Natürlich könnten Atze und Bärolina weiterhin in solch einem anderen Lebensraum überleben, aber da Bären tausende von Jahren gebraucht haben, ihre Körper an diesen einzigartigen Lebensstil anzupassen, ist es besser, ihnen einen Lebensraum mit stabilen vier Jahreszeiten zu bieten.
Es leben (und schlafen) derzeit fast 200 Bären in unserem Schutzzentrum, daher haben wir definitiv Plätze in der ersten Reihe, wenn es darum geht, die 5 Phasen zu beobachten, die die Bären durchleben. Man kann definitiv eine Verbesserung ihrer Gesundheit und ihrer Zufriedenheit feststellen, wenn sie endlich so leben können, wie es von der Natur vorgesehen ist. Deshalb sind wir große Fans davon, Bären in kühlerem Klima leben zu lassen!
Wie für all unsere geretteten Tiere, begann für das Paar nach ihrer Ankunft in unserem Schutzzentrum eine kurze Einführungszeit. Atze und Bärolina wurden vorrübergehend in Käfigen untergebracht, die in ihrem neuen, großen Lebensraum standen. So hatten sie Zeit, sich an den Anblick, die Gerüche und die Menschen ihres neuen Zuhauses zu gewöhnen.
Beide waren ein wenig vorsichtig und haben nur langsam Vertrauen zu ihren neuen menschlichen Betreuern gefasst – damit hatten wir aber gerechnet. Die konstante Versorgung mit Weintrauben, Wassermelone, Erdbeeren, Fisch und Marshmallows konnte die beiden davon überzeugen, dass unsere Tierpfleger auf ihrer Seite sind.
Dass in der Nähe direkt eine andere Gruppe von Braunbären lebt, hat ihre Perspektive auch aufgehellt, denn nebenan war eine aktive Familie syrischer Braunbären. Es stellte sich heraus, dass Simon, Paula und Kelly begeistert waren, endlich Nachbarn zu haben, und sie wollten nur zu gern, dass das vorsichtige Bärenpaar ihnen beim täglichen Spielen zuschaut.
Nach etwa einer Woche durften Atze und Bärolina ihre kleinen Käfige verlassen. Sie begannen sofort damit, ihren neuen Lebensraum zu erkunden und entdeckten schnell die unterirdischen Höhlen. Bärolina zögerte kurz, aber nach einem weitern Schnüffeln tauchte sie in den dunklen, stillen Hohlraum ab.
Atze hatte sie aus der Ferne dabei beobachtet und ihm war klar, dass sie in eine Art von unterirdischer Höhle verschwunden sein musste, also erkundete er die Umgebung, bis er eine eigene Höhle zum auskundschaften gefunden hatte. Er machte sich den Tunnel, der zu einem gemütlichen Plätzchen unter der Erde führt, schnell zunutze und verbrachte die nächste Stunde mit einem ständigen Kommen und Gehen, als wollte er die Logistik seines neuen Schatzes in- und auswendig lernen.
Seit sie im Herbst bei uns ankamen, hatten Atze und Bärolina etwas Zeit, sich an ihr neues Zuhause zu gewöhnen und sich für den anstehenden Winter zu mästen. Ihre Hyperphagie-Phase ist abgeschlossen und beide befinden sich jetzt im Herbstwandel. Man sieht sie jede Woche weniger.
Sie trinken noch mehr als alles andere und werden zeitnah ihren Winterschlaf beginnen. Zu Thanksgiving schlafen all unsere Grizzlybären im Normalfall bereits – und alle anderen eigentlich auch. Hier und da sind vielleicht noch ein paar Schwarzbären unterwegs, die bis Mitte Dezember durchhalten, aber auch das ist eher selten.
Im Frühling werden Atze und Bärolina erfrischt aufwachen und sich so gefestigt fühlen wie bisher noch nie in ihrem Leben. Die verschiedenen Phasen ihres jährlichen Zyklus zu durchleben, hat sie auf Weg zu einer vollen Genesung gebracht.
Wir sind unfassbar froh, Atze und Bärolina helfen zu können, vor allem, weil sie ganz dringend ein gutes Zuhause brauchten. Beide werden den Rest ihres Lebens hier verbringen können und jeden Winter davon träumen zu laufen, zu spielen und all die süßen Früchte, Fisch und anderes leckeres Futter zu fressen.
Träumt weiter, unsere wundervoll molligen Freunde, träumt weiter…
Anmerkung:
Atze und Rieke wurden am 13.01.1994 und Bärolina am 7.01.1994 in Berlin geboren. Am 22.08.1994 flogen sie nach Buenos Aires. Sie lebten im Zoo bis 2016 und dann im Eco Park. Seit dem 27. Oktober 2018 haben unsere beiden Berliner Bären Atze und Bärolina, in Colorado einen neues Zuhause gefunden.