Ausstellung „Nie wieder und jetzt“ im Bärenzwinger vom 09.05. – 21.07.2024
Als unsere Vorsitzende, Frau Christa Junge, mir den Link schickte und erwähnte, dass sie die Info zur Ausstellung nur zufällig sah, war ich sofort zu einem Besuch bereit. Das lag u.a. am Thema, das mir nicht fremd ist und mich auch im Alltag oft sehr nachdenklich macht (besonders in den letzten Jahren).
Vor 110 Jahren begann der 1. und vor 85 Jahren der 2. Weltkrieg, seit gut 2,5 Jahren gibt es Krieg in der Ukraine durch Angriff von Russland, der durch diverse vorangegangener Konflikte beider Länder irgendwie absehbar war, aber seitens Putins Russland völkerrechtswidrig ist!
Das sind jedoch nur Kriege von vielen, die es gab und gibt, weil sie medial im Fokus stehen. Nach viel Hoffnung und Illusionen in den 1990er Jahren sind diese derzeit bei vielen Menschen in Sorge und Hoffnungslosigkeit umgeschlagen. 2 Reisen haben mich 2016 nach Israel und 2019 nach Russland geführt, was eine emotionalere Sicht zu diesen Konflikten erklärt. Das 21. Jh. mit seinen vielschichtigen Problemen zu charakterisieren, führte viel zu weit und ist auch kaum möglich, wenn man als Mensch irgendwie sachlich bleiben will. Die Spaltung der Gesellschaft und der deutliche „Rechtsruck mit nationalistischen Zügen“ hier in unserem Land, aber auch in Europa und anderen Teilen der Welt, lassen doch zurückdenken, wie die Situation vor etwa 100 Jahren war. Auch wenn das neue Jahrhundert andere Bedingungen aufweist, sind doch einige Parallelen nicht ganz zu negieren.
Jedenfalls war ich bei meinem Spontanbesuch am Dienstag den 25.06.24 neugierig, was uns die in der Regel jungen, internationalen Künstler: innen zu dem von ihnen gewählten Thema zu sagen hatten. Das Infoblatt hatte ich vorab nicht gelesen, doch schon der Titel der Ausstellung rief meine Neugier auf den Plan! Er erinnerte mich spontan an Aktionen und Demonstrationen aus dem vergangenen Herbst/Winter, die v.a. angesichts des o.g. Israel – Palästina – Konfliktes hier und anderswo in Deutschland unter der Losung „Nie wieder ist jetzt“ stattfanden. Diese sollten sowohl die Solidarität und Verbundenheit mit dem israelischen Volk zeigen, die Erinnerung an den Holocaust wachhalten, als auch darauf hinweisen, dass der Antisemitismus gegenwärtig ist. Jüdische Menschsein Deutschland haben wieder Angst, was sich auch in Berlin deutlich zeigte.
Als ich am Nachmittag des 25.06.24 die Tür zum Bärenzwinger öffnete, war ich die einzige Besucherin, was auch über die ca.1,5 Std. meines Aufenthalts so blieb.
Nachdem ich mit der diensttuenden junge Frau einen kurzen Gruß austauschte, wurde ich direkt im Lichthof des Zwingers mit dem Teil „Haut“ von Jakob Ganslmeier konfrontiert. Ich begriff, dass es hier um die Neo-Nazi-Szene der 1990er Jahre ging. Damals reagierten viele DDR-Bürger – auch ich – erstmal mit Entsetzen (v.a., wenn man nicht genauer darüber Bescheid wusste, dass es diese bereits im „Untergrund“ auch vor 1990 gab). Bei den Menschen, die hier samt ihrer Tätowierung diverser Symbole der Szene fotografisch dargestellt sind, handelt es sich um „Aussteiger“. In einer bereitliegenden Mappe konnte man ihre Lebensgeschichten, Motivationen, sich der Szene anzuschließen, nachlesen. Diese resultierten nicht selten aus einer Art „Verlorenheit“, Hilflosigkeit, Suche nach Anerkennung bzw. dem Wunsch nach Zugehörigkeit. Auch wenn sie von „EXIT-Deutschland“ Unterstützung bekommen, erfordert es meines Erachtens Mut, sich loszusagen und verdient durchaus Anerkennung!
Einen weiteren Schwerpunkt der Ausstellung bildeten die beiden Videoinstallationen im mittleren Zwinger. In Zusammenarbeit mit Ana Zibelnik stellte Ganslmeier unter den Titeln „Strong is beautiful“ und „War Room“ Propagandamaterial v.a. aus der NS-Zeit dem der Gegenwart gegenüber:
- So Ausschnitte aus damaligen „Wochenschauen“, die man im Kinovorprogramm sah (u.a. zur „Herrenmenschen- und Rassentheorie“, zum „Soldatenalltag“ abseits der Schlachten“, Zerstreuung und Amüsement im „Heimatland“ usw.). Die Masse der Deutschen sollte für den Krieg motiviert werden, im späteren Verlauf ging es eher um Durchhalteparolen an den Fronten sowie „zu Hause“. All das mündete auch bildlich in der uns bekannten Verzweiflung und Zerstörung, woraus nach Kriegsende der Ruf „NIE WIEDER“… entstand. Die Überlebenden des Krieges und v.a. wir Nachgeborenen glaubten, dass es für sehr lange Zeit ein friedliches Miteinander geben würde, was selbst über die Jahre des sogenannten „Kalten Krieges“ (2. Hälfte der 1940er – Anfang 1990er Jahre) so zu bleiben schien. Natürlich wurden all die Kriege und Krisen die „weit weg“ waren wahrgenommen, aber eben nicht „hautnah“!
- Die zeitgenössischen Videos widerspiegeln die ausgeklügelten Tricks modernster Medienvielfalt, welche wesentlich schneller Massen von Menschen erreichen und immer die Frage offenlassen: „Wahrheit oder Fake News“? Unsicherheiten und Ängste sind sozusagen auch hier „hautnah“! von Populisten geschickt genutzt zur Spaltung der Gesellschaften, was u.a. Rechtsruck, Nationalismus und Kriege befördert, die derzeit unsere Gegenwart im 21. Jh. prägen.
Im rechten Gehege präsentiert Laura Fiorios anhand von Familienfotos und Gegenständen der 1930er/40er Jahre, unterstützt von Projektoren der damaligen Zeit, sowie von der Decke des Raumes herabhängend ihr Projekt „My Fascist Grandpa“. Hier soll es v.a. um die Auseinandersetzung mit der eigenen Familiengeschichte, um Verdrängung etc. gehen. Das Projekt wurde „offen“ gestaltet, sodass sowohl über Aufrufe im Vorfeld der Ausstellung als auch nach Besuchen zum Mitmachen aufgerufen wurde. Die Geschichte des Ortes „Bärenzwinger“ (1939 eröffnet) samt Hintergründen wurde ebenfalls nochmals kritisch „unter die Lupe“ genommen. Erwähnen möchte ich unbedingt, dass auch der Verein „Berliner Bärenfreunde e.V. die Fakten mehrfach thematisierte.
Im linken Gehege werden Porträts von Nationalsozialisten (v.a. solcher, die Führungspositionen hatten) auf durchscheinenden Textildrucken hintereinander gehängt und über Projektoren so reflektiert, dass man kein konkretes Gesicht wirklich erkennen kann und somit Individualschuld und Kollektivschuld miteinander verschmelzen, was die Geschichtsaufarbeitung der NS-Zeit über viele Jahre in großen Teilen unkonkret erscheinen ließ und auch der „Verdrängung“ diente.
Zum Schluss führte ich mit der freundlichen Diensthabenden noch ein kurzes Gespräch: Sie erzählte, dass sie polnische Wurzeln habe, Kunst in ihrer Heimat und in Leipzig studiert habe und meine Frage, ob sie sich in Berlin wohlfühle diese bejahte! Wir waren uns sofort einig, dass man nicht vergessen darf und entsprechend der jeweiligen Möglichkeiten sich in der Gegenwart gegen Krieg, Hass und Spaltung positionieren muss!!!
Monika Schmidt, Juni 2024