Berliner Bärenfreunde e.V.

Bär*in – Musiktheater (von Arne Gieshoff und Franziska Angerer) nach dem Roman“An das Wilde Glauben“ von Nastassja Martin

Bär*in – Musiktheater (von Arne Gieshoff und Franziska Angerer)

Bär*in – Musiktheater

Uraufführung am 21.06.2023 in der Tischlerei der Deutschen Oper

Vorausgeschickt sei, dass jede Kunstpräsentation, die über den Verein „Berliner Bärenfreunde e.V.“ vermittelt wird spannend ist, egal ob man sich vorab über Inhalte informieren kann oder einfach mit Unvoreingenommenheit dabei sein möchte. Das betrifft Events im Berliner Bärenzwinger, Präsentationen von der Kunst von Uwe Tabatt oder diese Theateraufführung in der Deutschen Oper in der Tischlerei. Immer werden aktuelle Themen des 21. Jh. angesprochen, die auf irgendeine Weise auch mit dem Berliner Wappentier, dem Bären, verknüpft sind (manchmal versteckt, symbolisch, geheimnisvoll oder direkt und sichtbar). Christa Junge und andere aktive Vereinsmitglieder sind oft Ratgeber für die jeweiligen Kunstevents.

Der Komponist Arne Gieshoff ließ sich für das Musiktheater „Bär*in von Nastassja Martins Roman „An das Wilde glauben“ inspirieren. Inszeniert wurde die Uraufführung in der Tischlerei der Deutschen Oper Berlin von der Regisseurin Franziska Angerer. Die Primiere fand am 21. Juni 2023 statt.

Die Geschichte, auf die der Roman der französischen Anthropologin Nastassja Martin auf der ostsibirischen Insel Kamtschatka beruht, sind die realen Erlebnisse von 2015, die sie dort im Rahmen ihrer Forschungen hatte. Der Schwerpunkt war das unerwartete Zusammentreffen mit einem Kamtschatka-Bären, der größten Unterart der Braunbären in Eurasien, das beide gleichermaßen „gefühlsmäßig“ überraschte und zu gegenseitigen, schwersten körperlichen Verletzungen führte.

Nach ihrem Auffinden wird sie zuerst in Russland medizinisch notversorgt. Sie erlebt Tage zwischen Leben und Tod, sie träumt von einem Bären und sie überlebt. Später wird sie in ihrer Heimat Frankreich, in Paris, weiterbehandelt. In diesem Zusammenhang werden auch die Unterschiede zwischen Russlandund „dem Westen“ (hier Frankreich) im 21. Jh. politisch und wissenschaftlich ausgefochten.
Russlands Kompetenz wird in Zweifel gezogen und eigene Fehler bzw. Unzulänglichkeiten werden vertuscht; der Patient muss darunter leiden.

Perfekt war die Aufteilung der Spielflächen der Tischlerei in vier gleiche Teile, mit klaren Grenzen der teilnehmenden Künstler. Ebenso einen Ritualraum mit Plastikverpackung für den entblößten Performance-Künstler und Sündenbock. Seine Rolle war ungewöhnlich und für viele Besucher manchmal schwer zu ertragen, aber er war es, der die Rolle der Opferfigur vertrat, mit vollem Körpereinsatz.

Diesem Nachdenken über das Verhältnis von Mensch, Tier und Natur in seiner Entwicklung bis hin zu notwendigen Veränderungen, die gegenwärtig gesehen werden, folgte auch der Teil „Braunbären in Berlin“, der die Geschichte des Bärenzwingers im Köllnischen Park von 1937-2015 (Eröffnung zur 700-Jahrsfeier Berlins – das Ende mit dem Tod der letzten „Stadtbärin“ Schnute) und weiter bis zur Gegenwart reflektiert. Hier waren Wissen und Forschungskompetenz der Berliner Bärenfreunde e.V. gefragt.

Erzählt wurde die Geschichte lebendiger Braunbären, die hier auf relativ engem Raum gehalten wurden und das Wappentier der Hauptstadt repräsentierten. Als die drei Künstler im Bärenkostüm herauskamen wurden sie mit Beifall begrüßt. Die Band spielte im Stil des Swing der 1920/1930er Jahre. Die kritischen Liedtexte über die Haltung der Berliner Stadtbären wurden an die Wand projiziert und musikalisch interpretiert. Es begann ein schrittweises Umdenken über Tierhaltung und Präsentation, die v.a. der Erbauung menschlicher Besucher diente. Beachten sollte man, dass alles aus heutiger Sicht betrachtet wird. Was denken Menschen in 80 Jahren über unser Tun?

Die Darstellung der einzelnen Szenen war sehr abwechslungsreich und z.T. eine ungewöhnliche Komposition (Erzählen, Instrumentaleinlagen bzw. Klangexperimente, Gesang von erstklassigen Stimmen, bis hin zu einer Art Bandmusik und Songs). Darüber hinaus wurde mit Raum- und Videoinstallationen, „Verpackungen“, Kostümierungen, aber auch technischen Installationen, Kameras etc. gearbeitet.
Am Ende mussten wir das Erlebte und sicherlich unterschiedlich Wahrgenommene auf uns wirken lassen und verarbeiten. Nach dem Lesen der Programminformation und dem damit verbundenen Hintergrundwissen wurden Anliegen und Zusammenhänge klarer.

Ohne die Inspiration durch den Bärenfreunde e.V und seinen vielfältigen Kontakten zur v.a. jüngeren Kunstszene, wäre z.B. mir diese Premiere weder aufgefallen, noch hätten ich, Monika Schmidt, sie besucht.
Gerade als älterer Mensch sollte man sich nicht vor Neuem und vor Andersdenkenden verschließen, selbst wenn man nicht jeden Gedanken zu 100 % teilen kann oder will.
„Offen sein“ hilft auch im 21. Jh. – in diesem Sinn Danke an den Verein „Berliner Bärenfreunde e.V.“ und die Künstlerinnen und Künstler.

Anschließen gab es noch eine Premierenfeier in der Tischlerei.

Unser spezieller Dank geht an Carolin Müller-Dohle, Dramaturgin, und die Regisseurin der Produktion Franziska Angerer.

Text
Monika Schmidt
Sigrid Schuldt
Christa Junge