Berliner Bär auf einem dreieckigen Sockel mit Inschrift BERLIN 280 KM in Seesen/ Niedersachsen
Berliner Bär, 1968, Inschrift BERLIN 280 KM in Seesen/ Niedersachsen
„Seesener Beobachter Samstag, 12. Oktober 1968“
„In Anwesenheit von Herr Regierungsdirektor Winfried Fest, als Vertreter des Senats der Stadt Berlin und als Vertreter der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte, Professor Dr. Erwin Gaber, mit 170 Mitgliedern von vier Studiengruppen der BfA aus Berlin, deren Reise durch die Bundesrepublik in Seesen ihren Abschluß fand und unter der Anteilnahme des Stammtischs der Berliner und Landmannschaft Berlin-Mark Brandenburg und zahlreicher Seesener Einwohner fand am Sonnabend am Nachmittag auf dem Berliner Platz die feierliche Übergabe des mit der Skulptur des Berliner Bären geschmückten Gedenksteins durch dessen Stifter Fabrikant Fritz Züchner an die Stadt Seesen statt.
An der mit Flaggen geschmückten Verkehrsinsel, auf welcher der Berlin-Stein Aufstellung gefunden hat, wurde vom Musikzug des MTV Seesen mit dem Choral „Großer Gott wir loben dich“ die Feier eingeleitet. Stadtdirektor Ernst Weiberg nannte den 12. Oktober einen Festtag für die Stadt Seesen und ihre Einwohner, solle doch heute aus diesem verkehrsmäßig historischen Platz, der seit einigen Monaten den Namen „Berliner Platz“ führt, ein Zeichen der Verbundenheit mit der deutschen Hauptstadt enthüllt werden. Er dankte Fabrikant Fritz Züchner für diese Stiftung und richtete herzlichen Worte der Begrüßung an die Ehrengäste aus Berlin, die ehemaligen Berliner und Ratsherren und die Bürger aus Seesen. Sein Wunsch war, daß der Erinnerungsstein von dauernden Bestand sein möge und sich alle Hoffnungen auf die Wiedervereinigung erfüllen möchten, die mit diesem Stein verbunden sind.
Fabrikant Fritz Z ü c h n e r gab seiner Freude Ausdruck über die zahlreiche Teilnahme an dieser Einweihungsfeier und erinnerte daran, daß der Berliner Bär seinen Standort hier an der alten Hauptstraßenverbindung Berlin-Frankfurt gefunden hat. Er solle den durchreisenden Berlinern anzeigen, daß nur 280 Kilometer Berlin von der Stadt Seesen trennen und ihnen zugleich das Gefühl geben, daß Berlin nicht alleinsteht, sondern hier in der Bundesrepublik treue Freunde hat. Nach einem Dank an Bürgermeister Fuhse für die Unterstützung der Platzwahl für den Denkstein enthüllte Steinmetzmeister Karl Timmermann die von ihm aus heimischen Thüster-Kalkstein gemeißelte Skulptur des Berliner Bären, in dessen Sockel eine Urkunde eingemauert ist, die spätere Geschlechter über die Stiftung und Aufstellung des Steins unterrichten wird. Fabrikant Fritz Züchner schloß mit der Versicherung, daß man sich in Seesen auch in Zukunft tatkräftig für Berlin einsetzen werde unter dem Wahlspruch „Allen Gewalten zum Trotz sich Erhalten“ und übergab den Gedenkstein in die Obhut der Stadt.
Bürgermeister Karl F u h s e nannte es den Sinn dieser Feier, in friedlicher, doch eindrucksvoller und unmißverständlicher Weise das Gelöbnis ablegen, die alte Hauptstadt Berlin als Kernstück Deutschlands zu bewahren und aktiv für sie einzutreten. Mit Recht können die Stadt Berlin erwarten, daß wir bereit sind, zu ihrer Freiheit ein Teil beizutragen, habe sie doch während der Blockade das Beispiel einer Standhaftigkeit gegeben, die in der ganzen freien Welt höchste Bewunderung fand. Der Berliner Bär als ihr Wappentier sei zum Symbol des Widerstandes gegen alle Unterdrückung geworden und solle auch hier in Seesen die Verbundenheit mit den Männern und Frauen von Berlin bekunden.
Bürgermeister Fuhse verlas dann ein an ihn gerichtetes Schreiben des Regierenden Bürgermeisters von Berlin, Klaus Schütz, in dem dieser namens der Berliner herzliche Grüße von der Spree an die Stadt Seesen am Harz richtet. „Wir freuen uns über die Zeichen der Verbundenheit zwischen Seesen und Berlin, der durch die Einweihung des Berliner Bären auf dem Berliner Platz wieder sichtbarer Ausdruck geben wird“, heißt es in dem Schreiben.
„280 km liegen zwischen unseren Städten. Wir sind alle in dem Wunsch einig, daß diese 280 Kilometer uns nicht trennen, sondern verbinden sollen“. In diesem Sinne Grüße der Berliner Bürgermeister die Seesener Bürger auf das herzlichste. Bürgermeister Fuhse nahm den Gedenkstein in die Obhut der Stadt und dankte für diese hochherzige Stiftung namens aller Mitbürger Fabrikant Fritz Züchner, dem er ein Kristallglas aus Berlin als Ehrengabe überreichte. Im Auftrag des Senats der Stadt Berlin dankte Regierungsdirektor Winfried F e s t dafür, daß die Stadt Seesen in so vielfältiger Weise ihrer Sympathie für Berlin Ausdruck gibt. Man wisse es zu schätzen, wenn ein Bürger dieser Stadt aus eigner Initiative diesen Stein mit dem Berliner Symbol stiftet und wenn die Stadt diesen Platz in Zukunft Berliner Platz nennt. Der Bär als Wappentier habe Eigenschaften, die auch den Berlinern nachgesagt werden.“
„Beide haben ein dickes Fell,“ „meinte der Sprecher „und die Berliner haben es in den letzten Jahren zu schätzen gewußt, wie gut es ist mit dieser Eigenschaft gewappnet zu sein. Der Bär hat Kraft und Ausdauer, die Berliner ebenfalls, und sie sehen ihre Probleme ebenfalls mit einem sehr realen und reellen Optimismus.“ Reg.-Direktor Feist hob hervor, daß Berlin die größte Industriestadt zwischen Paris und Moskau ist, in der aber auch Kunst und Künste gedeihen. Mehr als jede andere Stadt in der Welt sei Berlin allerdings auf die Verbindungen zu seinen Freunden angewiesen, seien diese doch die Lebensgrundlagen
seiner Existenz. So danke er namens aller Berliner der Stadt Seesen für ihre Verbundenheit mit der Stadt an der Spree. Mit der dritten Strophe des Deutschlandliedes klang die Feier aus, der sich ein
Platzkonzert des MTV-Musikzuges anschloß.
Schon vorher um 12 Uhr hatte Fabrikant Fritz Züchner die Ehrengäste aus Berlin und Seesen im Hotel zur Post bei einem Empfang begrüßt, der einer Ehrung des ersten Reg. Bürgermeisters von Berlin, Ernst Reuter, galt. An dem von ihm oft bewohnten Zimmer des Hotels wurde eine holzgeschnitzte Tafel
angebracht, die an Ernst Reuter erinnert. Wie Fritz Züchner sagte, hatte Ernst Reuter in jenen für Berlin schwierigsten Jahren zwischen 1947 und 1953 auf der Reise zwischen Berlin und Bonn im Hotel zur Post öfter gewohnt und damals humorvoll geäußert: „Hier ist’s richtig, hier kann ich meine Boulette in Ruhe essen.“ Ihm zur Erinnerung solle der Raum im Obergeschoß daher „Ernst-Reuter-Zimmer“ benannt werden. Um Berlin zu unterstützen und zu fördern, müsse die Parole lauten „Jeder aus der Bundesrepublik einmal im Jahr in Berlin“! Im Namen Berlins danke Reg.-Direktor Fest für die Ehrung Ernst Reuters, dessen Name untrennbar mit der Geschichte der Stadt verbunden sei. Als Regierender Bürgermeister habe dieser in einer Zeit der gefährlichen Bedrohung der Freiheit Berlins durch die Kraft seiner Persönlichkeit und den unbeirrbaren Glauben an den Sieg der guten Sache der freien Welt bewußt gemacht, worum es in dieser Stadt geht. Auch der Präsident der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte Prof. Dr. Erwin Gaber, dankte dafür, daß man der Jugend der BfA Gelegenheit gegeben habe, am Ende ihrer Studienreise hier in Seesen Station zu machen und an der Einweihung des Berlin-Steins teilzunehmen. Mit Ernst Reuter fühle sich die Bundesversicherungsanstalt besonders verbunden, sei doch unter seiner Amtszeit die Errichtung der BfA in Berlin beschlossen worden. Für die Vereinigten Landsmannschaften Mitteldeutschlands und besonders der Berlin-Mark Brandenburger sagte deren Vorsitzender Georg G e i ß l e r Dank für die Aufstellung des Steins mit dem Berliner Bären. Zum Abschluß des Empfangs kreiste ein großer Pokal in Form eines silbernen Bären zu einem Verbrüderungstrunk zwischen Berlin und Seesen.“
Wie berichtet, wurde am Sonnabend auf einer Verkehrsinsel an der B 248 an der Stadteinfahrt Seesen ein Gedenkstein in Gestalt eines Berliner Bären der Öffentlichkeit übergeben. Auf unserem Foto von links nach rechts der Stifter des Berlin-Steins, der Fabrikant Fritz Züchner, Bürgermeister Karl Fuhse, der Vertreter des Senats der Stadt Berlin, Reg.-Direktor Winfried Fest, der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte in Berlin Prof. Dr. Erwin Gaber, Stadtdirektor Ernst Weiberg und Steinmetzmeister Karl Timmermann, der die Skulptur des Bären geschaffen hat. – Bild rechts: Mit der Enthüllung des Gedenksteins war die Einweihung des neu benannten Berliner Platzes verbunden. Besonders erfreut über
diese Benennung war die 76jährige Frau Elisabeth Lüdecke, die unser Foto am Fenster ihrer im Obergeschoß des Hauses Jobstgasse 2 gelegenen Wohnung mit einer Abbildung des Berliner Stadtwappens zeigt. Frau Lüdecke lebte über 55 Jahre in der ehemaligen Reichshauptstadt Berlin, ehe sie vor 21 Jahren in Seesen ansässig wurde, und hat sich eine treue Anhänglichkeit an ihre Heimatstadt an der Spree bewahrt.“
„Seesener Beobachter, Dienstag, 15. Oktober 1968“
Seesen in Niedersachsen
Herr Dirk Stroschein, Leiter des Städtischen Museum beantwortete unsere Fragen zu dem Berliner Bären auf einem dreieckigen Sockel mit der Inschrift BERLIN und der Angabe 280 KM. Bei der Aufnahme der neuen Fotos fiel ihm auf, dass der Sockel des Berliner Bären doch anders aussieht als der bei der Einweihung am 12. Oktober 1968.
Bei der weiteren Recherche fand er im Buch des Seesener Lokalforschers Dieter Ahlswede („Über 100 Denkmäler in und um Seesen“) die Anmerkung: „Das Denkmal musste schon einmal repariert werden. Ein unvorsichtiger Autofahrer hatte den Sockel zerstört und so den Bären zu Fall gebracht. Der Sockel musste neu gemauert werden, dann konnte der Bär, der den Unfall unbeschadet überstanden hatte, wieder aufgesetzt werden.“ Zum Unfall und zur Wiederherstellung des Sockels konnte er keinerlei Unterlagen
gefunden werden. Weitere Dokumente, wie Manuskripte von Einweihungsreden o.ä., liegen Herrn Stroschein leider nicht vor.
Das Bildarchiv des Städtischen Museums enthält einige Fotos vom Einweihungstag. Ein ausführlicher Bericht der Seesener Tageszeitung „Beobachter“ haben wir von Herrn Stroschein erhalten. So können wir Ihnen die festliche Stimmung zur Eröffnung des Festtages, mit vielen Gästen aus Berlin und den Bewohnern Seesens näherbringen. Der Sockel, auf dem der Berliner Bär steht, ist dreieckig, wobei zwei Seiten gleich lang, die dritte etwas kürzer ist, wodurch sich bei der Draufsicht eine Art Pfeilanzeige in Fahrtrichtung Berlin ergibt. Die im neugemauerten Sockel enthaltene Platte mit der Entfernungsangabe befindet sich an der kürzesten Dreiecksseite und ist 60×25 cm groß. Der gemauerte Sockel weist die Maße von 105x105x95cm auf. Auf diesem liegt eine ebenfalls dreieckförmige Sockelplatte (die ebenfalls nicht dem Original entspricht, da die Inschrift „Berlin“ noch umrandet ist) mit den Maßen 127x127x108 cm.
Die Stärke/Dicke dieser Platte beträgt 20 cm. Die Buchstabenhöhe der Berlin-Inschriften beträgt 16 cm. Die Spitzen des Dreiecks sind flächig gekappt mit Länge 7 cm.
Auf dieser Platte befindet sich eine weitere (quadratische) Statuen Platte von 50×50 cm und Stärke von 11 cm. Hierauf wiederum ist die eigentliche (und originale) Bärenplastik platziert. Der Bär sitzt auf einem angedeuteten Felsblock mit den Maßen 40x40cm.
Sein eigentlicher Korpus misst ca. 30 x 30 cm Breite und Tiefe sowie 95 cm Höhe. Bei dem ersten Sockel ist die Angabe 280 KM auf den Fotos nicht zu erkennen, sie wird aber im Artikel „Seesener Beobachter vom 14.10.1968“ in der Berichterstattung erwähnt. Wir vermuten, dass sie nicht zu sehen ist, oder
erst nach der feierlichen Übergabe an die Stadt Seesen, angebracht wurde. Bei dem „neuen Sockel“ des Berliner Bären ist die KM Angabe gut zu erkennen. Der zerstörte Sockel diente hier als Vorlage.
Fabrikant Fritz Züchner war bundesweit aktiv mit seinen Werken eher im Westen,
aber seine Unterstützung galt auch Berlin. In Seesen gab es nach dem Zweiten Weltkrieg viele ehemalige Berliner (ausgebombt, evakuiert) die dann dort sesshaft wurden. Das wird auch durch die Beteiligung der
entsprechenden Landsmannschaft bei der Weihe deutlich. Auch nach dem Bau der Berliner Mauer 1961 kamen einige Westberliner nach Seesen. Die Harzregion war als Zonenrandgebiet (räumlich erste Anlaufstation nach der Zonengrenze) sehr lange auch Anlaufpunkt für Urlaubende Berliner. Die verkehrsgünstige Lage Seesens (Nord-Süd-Autobahn A 7 / Großraum Braunschweig mit Anbindung Ost-West A2) und auch als bedeutender Eisenbahnstandort trugen zu vielfältigen Kontakten von Berlinern mit der Stadt bei. Eine persönliche Verbindung von Fabrikant Fritz Züchner gab es nach dem Krieg zum
Berliner Regierenden Bürgermeister Ernst Reuter, der bei seinen Durchreisen in Seesen im Züchnerschen „Hotel zur Post“ logierte. Deshalb zeitgleich die Widmung „seines“ Hotelzimmers, an dem eine holzgeschnitzte Tafel angebracht wurde, die an Ernst Reuter erinnert.
Im ersten Sockel gab es eine Urkunde, die spätere Geschlechter über die Stiftung und Aufstellung des Steins unterrichten wird. Herr Strohschein hat noch einmal nach der Urkunde aus dem Sockel geforscht.
Eine Kopie/ oder Abschrift liegt im (Bau-)Archiv leider nicht vor, auch ist die Akte zudem Sockel mit Berliner Bär relativ spärlich. Betr. Unterhaltung des Denkmals o.ä. Ob sich das Original der Urkunde im „neuen“ Sockel des Berliner Bären befindet, ist so nicht festzustellen. Eine Öffnung ist nicht geplant.
Ein großer Pokal in Form eines silbernen Bären wurde zur Verbrüderung zwischen Berlin und Seesen
herumgereicht. Da der Umtrunk im „Hotel zur Post“ stattfand, kann der Pokal im Besitz von Fritz Züchner gewesen sein.
Wir danken Dirk Stroschein, Leiter Städt. Museum in Seesen für die freundliche und gute Zusammenarbeit.
Der Verein der Berliner Bärenfreunde e.V. wird zeitnah für den Seesener Berliner Bär auf einem Sockel vom 12.10.1968 Denkmalschutz beantragen.