Berliner Bärenfreunde e.V.

Eröffnung der Ausstellung „Becomings“ im Berliner Bärenzwinger am 17. 08.2023

17.08.2023 Ausstellung „Becomings“ im Berliner Bärenzwinger

Die Vorankündigung des Bezirksamtes mit einigen Hinweisen des zu Erwartenden:
Nach dem „groben Überfliegen“ sah ich mich, Monika Schmidt, zuerst versucht, die englischsprachigen Begriffe, die das künstlerische Anliegen von Helin Ulas und Sarah Oh-Mock markierten, einer Klärung zuzuführen…
„Becomings“‚ „Werdende“; „das Werden, die Entwicklung“?
„Tides of Memories“‚ „Gezeiten der Erinnerung bzw. des Gedächtnisses“?
„PHASO (Posthuman Archeological Studies Organisation).
Remaining Hybrids“‚ „Verbleibende Hybriden“?;
„Nachkommen/Nachfolger unterschiedlicher Arten“?

Das erweist sich nicht immer als ganz einfach, wenn man die moderne englische Sprache nicht beherrscht und leider nur auf Schulkenntnisse der 1960er/70er Jahre zurückblicken kann, zumal es in jeder Sprache auch Mehrfachbedeutungen von Begriffen gibt. Das „Künstlerische“ erfordert darüber hinaus manchmal ein bisschen „um die Ecke Denken“.

Berliner Bärenzwinger am Tag der Eröffnung

Neugierig traf unser „Trio“, bestehend aus der Vereinsvorsitzenden Christa Junge, der Schatzmeisterin Sigrid Schuldt und mir, Monika Schmidt – einer „Freundin des Vereins“ – auf eine Vielzahl junger, interessierter Leute, darunter Kurato*rinnen und Künstler*innen.

Vor einiger Zeit erfolgte eine Ausschreibung, die dem Erhalt sowie der architektonischen Erweiterung bzw. Gestaltung des Bärenzwingers dient. Ziel ist, diesen besonderen, ja einmaligen Ort für Kunst- und
Kulturveranstaltungen der modernen, zukunftsweisenden Art nutzen zu können. So kam Christa Junge recht schnell mit einem der beteiligten Architekten in den Gedankenaustausch.

Die Präsentationen von Frau Ulas und Frau Oh-Mock verteilten sich in ihrer Vielfalt über den Gesamtbereich des Bärenzwingers und zeigten diese unter den Bedingungen des Digitalzeitalters. Das neue, nachdenkliche und vielfältige Kunstverständnis richtet sich u.a. auf das Zusammentreffen von „Mensch und Maschine“, das „kybernetische Dispositiv“, „Technologische Singularität“ – Alles irgendwie gekoppelt mit dem schnellen Voranschreiten „Künstlicher Intelligenz“ mit all ihren Überlagerungen, Widersprüchen, positiven sowie negativen Effekten, bis hin zu Überlegungen, wie eine „posthumane Zeit“ aussehen könnte – vereinfacht gesagt: was nach der Apokalypse von uns bleibt“. Zukunftsvisionen, die nicht immer zuversichtlich stimmen! Doch auch diese Vorausschau ist keine Erfindung des 21. Jh. – manche Utopien unserer Vorfahren haben wir selbst real erlebt!!
Diese Themen sind jedoch nicht nur Gegenstand der Kunst, sondern ebenso ernsthafter Forschung.

Spontane Gedanken von Frau Schmidt waren:

  • „vom Werden und Vergehen“,
  • „wer hat mehr Überlebenskraft, der Mensch oder die Natur“?,
  • „menschengemachtes Unheil, wie Kriege, Gewalt, Gier etc. und Naturgewalten“?,
  • „wird es eine Erde/Welt ohne Menschen geben und welche Rolle fällt der künstlichen Intelligenz zu“?
  • Musiktitel wie „Der blaue Planet“ oder „Eiszeit“ kamen mir auch in den Sinn,
  • „was am Ende (von uns) bleibt“….

Als erstes fiel uns ein großes Plakat im Eingangsbereich auf, auf dem ein Mensch dargestellt wurde,der künstliche Körperteile trägt. Auf der linken Freifläche des Bärenzwingers ist im ehemaligen kleinen Badebecken eine historische Ausgrabungsstätte entstanden. Links oben es das Skelett eines rechten Beines mit einem Fuß, unten mittig einige Rippen, unten noch das Skelett des rechten Arms. Mit einem schwarz/weißen Pfeil ist der Unterkiefer gekennzeichnet. Auch eine künstliche Brust ist zu sehen. Um mehr über diese Menschen herauszubekommen muss man weiterforschen. Seltsamerweise war ein Frosch auf einer Kugel dabei; er lässt Raum für Spekulationen. Es ist der Blick einer anderen Spezies auf das, was von uns Menschen nach Jahrhunderten zu finden ist. Was werden Sie über uns denken und herausfinden? Werden wir Sie erstaunen und überraschen? Können Sie aus unseren Hinterlassenschaften lesen? Was wird von unserer Entwicklung von der Steinzeit bis ins Jahr 3000 übrig sein?

Auf der rechten Seite des Bärenzwingers ist im ehemaligen kleinen Badebecken ebenfalls eine historische Ausgrabungsstätte. Hier geht es um einen Flugzeugabsturz; was ist mit den Menschen und dem Flugzeug passiert? Das Wrack wird versucht in Teilen darzustellen, von den Menschen gibt es keine Spur mehr. Wie alt ist der Fund? Es sind viele Fragen, die im Raum stehen. Ist das Flugzeug abgestürzt oder sind es Reste/ Teile eines Flugzeug-Friedhofs? Es handelt sich um unbekannte Stücke, die als „Wirbelsäule“ wahrgenommen werden können. Wer oder was könnte das sein? Lässt sich daraus noch DNA ziehen, um etwas über diese Menschen zu erfahren?

Dann gab es einen Wehmutstropfen für uns: Lusin Reinsch und Malte Pieper habe viele
Ausstellungen im Berliner Bärenzwinger als Kuratoren*innen begleitet. Jetzt freuen Sie sich auf neue Aufgaben. Wir wünschen Ihnen viel Erfolg. Auch mit den neuen Kuratoren*innen werden wir bei den Ausstellungen in Kontakt bleiben und freuen uns auf Neues und auf die Weiterführung der Zusammenarbeit.

Helin Ulas

Im Innern des Bärenzwingers gab es mittig mehrere Monitore untereinander, die Audiovisuelle
Mehrkanal-Installation zeigte Städtebilder.
Art & Creative Technology Direction: Célestin Meunier Sound Design: Sevki Argalioglu

Sarah Oh-Mock – Video „Die Flut“, 2015

Der rechte Käfig des Bärenzwingers war gleich mit sechs Installationen ausgestattet.
Ein Farbvideo mit einzelnen Bildern lief in Schleife und zeigte, wenn der Mensch seine Umwelt zerstört, am Beispiel von Fukushima, wie sich die Natur den Planeten zurückerobert.

„Es fing mit Regen an, dann wurden die Menschen den ganzen Tag beschallt. Wohin ist die
Natur verschwunden? Wo die Spiritualität? Ich kenne die Antwort nicht, aber die Antwort kennt mich.
Als die Natur anfing künstlich zu werden, hat es niemanden wirklich interessiert.
Wie die Tiere auch haben die Menschen die künstliche Welt um sie herum nicht wirklich wahrgenommen.
Oder haben sie doch? Sie waren die Einzigen sonst, die die Sache später überlebt haben. War das noch Kunst oder noch Leben? Vielleicht auch Dekoration oder Ware.
Die Friedenstaube war gefangen.
Mehr und mehr Tiere wurden wie Plastik…. und das Essen. Es brauchte seine Zeit, aber nach einigen Jahren haben auch die anderen Menschen diese Entfremdung gespürt. Erwartung.
Der Tag brach an, an dem es unmöglich war zu verleugnen, dass ES geschah. Dieses Gewitter und der
starke Regen änderten alles. Die Menschen beteten für Erlösung. Das Wasser hat alles fortgespült.
Erst sind die Autos verschwunden und dann die Menschen. Die Menschen sind verschwunden, so wie sie eines Tages aufgetaucht sind. Sie gingen zurück in den Kreislauf der Natur und diese holt sich zurück was sie ihr genommen haben.
Warum nur ich überlebte, weiß ich nicht. Die künstliche Natur kann wieder natürlich werden. Das Gefühl, dass der Tod einen unwiederbringlichen Verlust für den Überlebenden bedeutet, war omnipräsent.
Vor „Der Großen Seltsamkeit“ hat immer jemand an die Verstorbenen gedacht. Ich legte mich zum Sterben hin. Aber das hat nicht funktioniert. Ich war noch da. So war es meine Aufgabe, die Erinnerung zu bewahren. Ich konnte keine Freude und kein Leid mehr finden. Bis zum Ende der Welt waren sie alle fort.

Als alle anderen verschwunden waren, endschied ich, die neue Golden Record aufzunehmen. Ich wollte eine Erinnerung an die Menschheit schaffen, die einst auf dieser Erde lebte….
Im Kontrast zur Voyager Golden Record, die 1977 ins All geschossen wurde, wollte ich eine richtige,
unverfälschte Erinnerung an die Menschheit bewahren.“
Das sind einige Überschriften des Videos, es dauert 28 min.

Im gleichen Raum waren zwei verschieden Globen zu sehen. Sie wurden aus Papiermodelliermasse gestaltet und sind farbig. 2022 sind sie entstanden, die Golden Record 2014.

Intelligente Prothesen, uralten Zahnbürsten und Zahnputzbechern, Herzschrittmachern, neben vielen anderen Objekten, befinden sich QR-Codes auf Grabsteinen unter den Fundstücken. Sie geben Aufschluss über die sozialen Selbst- und Weltverhältnisse der ausgestorbenen Menschheit, zeigen wissenschaftliche Interviews mit einem körperlosen, digitalen Bewusstsein und Social-Media, die sich mit dem Thema bodymodification auseinandersetzen und ein ganzes Menschenleben abbilden.
Zeichnungen, die die archäologischen Fundstücke systematisch darstellen, Zeugen von einer Verschmelzung organischer und anorganischer Elemente für die Technifizierung des Körpers der Mensch als Cyborg. Die Biologisierung der Technik wird schon lange in der Medizin eingesetzt – Herzschrittmacher, Bein- und Armprothesen, künstliche Ohrmuscheln und mehr. Es gibt auch Operationen bei denen Transplantate von Menschen auf den Menschen eine große Rolle spielen, wie Herz- und Nierentransplantationen. Ebenso vom Tier auf den Menschen, wie eine Herzklappen OP, es werden auch funktionsfähigen Zellen, Geweben oder Organen transplantiert, der Fachbegriff dafür ist Allotransplantation.

Hervorheben möchten wir, was uns bisher immer bei „Kunst im Bärenzwinger“ auffiel: Die jungen Künstlerinnen und Kuratorinnen und das anwesende Publikum ist offen, freundlich, zugänglich und gesprächsbereit! Die Atmosphäre ist sehr angenehm, auch bei unterschiedlichen Meinungen.

Autoren
Monika Schmidt
Christa Junge

Quelle Google