Rettung des Berliner Bären in Santiago de Chile -Teil I
Vom Sockel gestürzt und unbeachtet liegt er im Gebüsch neben einer Verbindungsfahrbahn der Straßenkreuzung Avendia Kennedy / Manquehue in Santiago de Chile, über 12.500 km von seiner Heimatstadt Berlin entfernt. Er ist nur 85 cm groß, voller Farbe verschiedener Graffiti-„Künstler“, von denen zum Glück niemand seine bronzene Struktur erkannt und zu Geld gemacht hat. Der Sockel, ca. 1,50m hoch, ist beschädigt, ein Baufahrzeug war unvorsichtig und dagegen gefahren, was ihn von seiner gehobenen Position gestürzt hatte. Was soll nun aus ihm werden, hier am Boden, mag sich der kleine Berliner Bär gedacht haben, irgendwann zwischen Juli 2012 und Februar 2013? Werde ich bald zu Altmetall erklärt und entsorgt, 40 Jahre nach meiner feierlichen Aufstellung 1972?
Aber dazu kam es nicht. Er wurde entdeckt, denn die Angehörigen der deutschen Feuerwehrkompanie zu Santiago bemerkten im Februar 2013 sehr wohl sein Fehlen auf dem Sockel und entdeckten den kleinen Pelzträger dann im Gebüsch liegend. Da sie sich Sorgen um seine weitere Zukunft machten, entschieden sie sich, ihn erst einmal in Sicherheit zu bringen und verfrachteten den zentnerschweren Brocken auf ihre Feuerwache, wo er ein gutes halbes Jahr unter der Treppe zum Obergeschoß stand.
Chile ist ein Einwandererland, schon immer gewesen, und so kam es, dass schon 1851 die erste Kolonialfeuerwehr nach deutschem Vorbild in Valparaiso, 120 km von Santiago entfernt, gegründet wurde. In Santiago de Chile sind heute 7 der 22 Freiwilligen Feuerwehren sogenannte Kolonialfeuerwehren. Es gibt u. a. eine französische, eine italienische und natürlich auch eine deutsche, die 15. Feuerwehrkompanie, gegründet 1958. Die Verbundenheit der jeweiligen Kolonialfeuerwehren mit ihrem Heimatland wird unter anderem dadurch ausgedrückt, dass sie mit Fahrzeugen nach heimischem Muster ausgestattet sind und auch die heimatlichen Traditionen pflegen. So rückt die „15te“ mit leuchtrot lackierten Fahrzeugen aus, auf denen groß FEUERWEHR steht und nur deutlich kleiner BOMBEROS DE CHILE.
Der Kommandant der Gesamtfeuerwehr von Santiago, Cristobal Goni, selber aus der deutschen Feuerwehrkompanie hervorgegangen, war kürzlich bei der Berliner Feuerwehr zu Gast und erklärte lakonisch: „Dieser Bär darf nicht verkommen!“
Sein Ziel war, eine Erlaubnis zu bekommen, ihn vor der deutschen Feuerwache aufstellen zu dürfen.
Als erstes wurde der Deutsch-Chilenische Bund gefragt, auf dessen Initiative der Bär überhaupt nach Chile kam, aber dazu im zweiten Teil mehr. Der Bund erteilte seine Zustimmung.
Der Direktor der dt. Feuerwehrkompanie, Jorge Tapia Castillo, trat gemeinsam mit Dietrich Angerstein, Gründungsmitglied der dt. Feuerwehrkompanie, an die Stadtverwaltungen von Las Condes und Vitacura heran, deren gemeinsame Verwaltungsgrenze genau an dieser Kreuzung liegt. Beide Verwaltungen zuckten mit den Schultern und wussten so recht nichts mit der Anfrage anzufangen. Man war sich gar nicht bewusst, dass man diesen Bären an der Kreuzung zu stehen hatte. Unter dem Strich waren die Stadtverwaltungen wohl froh, ihn loszuwerden und so erhielt die dt. Feuerwehrkompanie die Erlaubnis, ihn vor ihrer Feuerwache aufstellen zu dürfen.
Mit Hilfe von Spendengeldern konnte der Bär wieder schön hergerichtet werden. Er wurde von den Farbsprühereien befreit und vor der Feuerwache an der Apoquindo 8115 wurde ein Marmorsockel gesetzt, 1,50m hoch und 2m in den Boden gehend!
Auf einer Rasenfläche vor der Feuerwache, umgeben von einigen Blumen, nachts angestrahlt und sichtlich stolz und zufrieden, steht er nun da oben, unser kleiner Bär, 12.512 km von Berlin entfernt, auf einem Sockel, der schöner kaum sein kann. Hinter ihm prangt der Bundesadler an der Hauswand und man hat den Eindruck, dass er ein bißchen gewachsen ist, unser Meister Petz.
Die feierliche Einweihung seines neuen Standortes fand am 28. November 2013 im Beisein des deutschen Botschafters Herrn Hans-Henning Blomeyer-Bartenstein, Vertretern des Deutsch-Chilenischen Bundes, der Berliner Feuerwehr, der Feuerwehr Santiago, des Präsidenten des deutsch-chilenischen Feuerwehrverbandes und den Bürgermeistern der Gemeinde Vitacura Raul Torrealba del Pedregal und der Geminde Las Condes Francisco de la Maza Chadwick, sowie den Angehörigen der 15. Deutschen Feuerwehrkompanie um 20:00 Uhr statt.
Die Geschichte, wie dieser Bär an seinen jetzigen Standort kam, steht auf zwei Metallplatten geschrieben, einmal auf spanisch und das andere Mal auf deutsch. Selbst der Hinweis auf den Künstler Hildebert Kliem (21.3.1927 – 22.3.1986) und das Entstehungsjahr 1967 fehlt nicht.
Die Hauptfigur dieser Geschichte mit Happy End, fühlt sich dort sichtlich wohl und die Floriansjünger der dt. Feuerwehrkompanie werden auf ihn aufpassen, genau so wie der kleine Bär sein Auge auf die Feuerwache hält.
Text und Fotos: © Helge Weber, Brandamtsrat, Berliner Feuerwehr