Berliner Bärenfreunde e.V.

Der Bär vom Berliner Platz in Essen ist jetzt ein Denkmal

Berlin-Konflikt

Essen. Das Kunstwerk am Berliner Platz erinnert seit 1959 an die später überwundene Teilung der Stadt und steht unter Schutz. Es gibt aber Diskussionen.

Viele Jahre galt er als Problembär, mit dem Essen nicht immer viel anzufangen wusste, und dessen Los lange ein tristes Exil auf einem städtischen Werkhof war. Nach dem Umbau des Berliner Platzes kehrte die über zwei Meter große Bären-Skulptur des berühmten Essener Bildhauers Herbert Lungwitz aber wieder an ihren angestammten Ort zurück, und vor kurzem wurde der Koloss sogar geadelt und ganz offiziell in die Liste der städtischen Denkmäler eingetragen.

Das hängt sehr maßgeblich mit deutschen Geschichte und der Inschrift auf seinem Sockel zusammenhängt: „Denkt an Berlin“, heißt es da.Warum denn das?, mag nun mancher fragen. Nun, der Berliner Bär erinnert an eine Zeit, als (West-)Berlin kein sehr angesagtes Reiseziel und erst recht keine Hauptstadt war, sondern eine jederzeit bedrohte Insel der Freiheit mitten in der DDR.

Jede westdeutsche Stadt sollte ein Denkmal haben, das an Berlin erinnert

„Ein Regierungsprogramm sah vor, dass möglichst jede westdeutsche Stadt ein Berlin-Denkmal besitzen soll“, weiß Essens Chef-Denkmalpflegerin Petra Beckers. Das sollte Solidarität ausdrücken, denn ohne den Rückhalt der West-Republik und ihrer Bürger wäre Berlin wohl kaum zu halten gewesen – weder politisch noch psychologisch noch finanziell. Der Bär als uraltes Wappentier der Stadt bot sich da als Symbol für Durchhaltewillen an.

Das tonnenschwere Kunstwerk von Lungwitz strahlt diesen Geist aus. Der aufgerichtete Bär mit seinen erhobenen Tatzen wirkt nicht unbedingt aggressiv, aber doch wehrhaft und erinnert ein wenig an einen Boxer, der die Deckung hochnimmt. Ab 1959 bereicherte die angekaufte Skulptur zunächst die Sammlung der Gruga, bevor sie 1964 schließlich an den damals neuen Berliner Platz kam.

Umzug von der Gruga an den Rand der Innenstadt

Maßgeblich für den Umzug an die deutlich belebtere Stelle war eine Initiative der Kreisverbands Essen des „Bundes der Berliner und Freunde Berlins e.V.“. Dieser meinte nicht zu Unrecht, dass ein politisches Kunstwerk im Herzen Essens eine andere Wirkung entfalten könne, als im eher beschaulichen Grugapark. Und die Sorgen um Berlin waren nach dem Mauerbau 1961 ja auch nicht gerade kleiner geworden.

Wie man weiß, ging die Geschichte gut aus. Die Halbstadt blieb Schaufenster des Westens und ein Stachel im Fleisch, und 1989/90 geschah das, was sich Bären-und Berlin-Freunde auch in Essen selbst in ihren kühnsten Träumen wohl kaum erhofft hatten. Die Wiedervereinigung wurde erreicht, und die Skulptur vom Berliner Platz geriet mehr und mehr in Vergessenheit.

Möglich, dass die Skulptur irgendwann mal mitten im Verkehrsgetümmel steht

 Das, zumal die Wiese vor dem Arbeitsamt kein Parade-Ort am riesigen Verkehrskreisel ist, sondern eher eine Randlage. Und auch die Substanz aus Dolomitgestein hatte unter Wind und Wetter gelitten. Der dreizeilige Schriftzug auf dem Sockel ist zwar noch zu entziffern, doch das Wort „Berlin“ heute bereits nur noch schwer. Eine Sanierung ist aber nicht geplant, Denkmal hin oder her.

Immerhin: Für Petra Beckers steht der Bär am richtigen Ort. Im zuständigen Ausschuss für Stadtplanung hatte man daran jüngst allerdings Zweifel. „Wir haben die Skulptur unter Schutz gestellt, aber nicht den Standort“, warb Ratsherr Thomas Rotter (SPD) für Flexibilität. „Ich könnte mir vorstellen, dass wir ihn irgendwann mitten auf die Verkehrsinsel stellen.“

Aufrecht mitten im automobilen Getümmel – für diesen ganz besonders sturmerprobten Meister Petz wäre auch das gar kein übler Ort.

Frank Stenglein

WAZ.de

Sonntag, 16. Oktober 2016

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