Berliner Bärenfreunde e.V.

Der Berliner Kilometerstein vom Frankfurter Kreuz

Der Berliner Kilometerstein vom Frankfurter Kreuz und weitere Gedenksteine an den Bundesautobahnen

Der Zufall führte zur Erforschung eines längst verschwunden geglaubten Relikts aus der Zeit der frühen Bundesrepublik Deutschland und des ´Kalten Krieges’. Der hier beschriebene Autobahn-Kilometerstein mit der Aufschrift „BERLIN 700 km“ wurde – soweit heute noch feststellbar – im Jahr 1960 1954 zwischen Pforzheim-West und Pforzheim-Ost bei km 244,2 (alt) auf dem Mittelstreifen der heutigen Bundesautobahn A8 zwischen den Anschlussstellen Heimsheim und Pforzheim ungefähr bei Betriebskilometer 245,0 (ALT) aufgestellt. Die Aufnahme zeigt ihn freistehend ohne Sichtbehinderung durch Schutzplanken.


Bild 1 Berliner Kilometerstein auf der A8, Fahrtrichtung Karlsruhe, um 1955 1960, (Quelle und Fotograf unbekannt)

Dieser Standort war jedoch nicht von Dauer. Ein späteres Foto zeigt den Stein, eingeklemmt zwischen Schutzplanken auf einem dem schmalen Mittelstreifen vor einem dem Brückenpfeiler einer Autobahnüberführung (ehemalige Fußgängerüberführung über die A8 bei Pforzheim?). Eine genaue Positionsangabe ist mangels Unterlagen nicht möglich.

Dieser Kilometerstein wurde 5.Oktober 1958 – im Beisein von Willy Brandt südlich des Frankfurter Kreuzes bei Strecken-Kilometer 499,0 errichtet. [1] Er stand auf dem Mittelstreifen der Autobahn Richtung Kassel. Er hat folgende Maße: Höhe 120 cm, Breite 88 cm, Tiefe 30 cm. Nach Aussage eines Mitarbeiters der Straßen- und Autobahnmeisterei Frankfurt am Main stand er in Fahrtrichtung Nord zwischen der Hauptfahrbahn und der Parallel-Fahrbahn für den Abbiegeverkehr.

Die hessische Straßenbauverwaltung barg den Kilometerstein Anfang der 1970er Jahre vor dem ersten Umbau des Frankfurter Kreuzes und transferierte ihn auf Anregung des damaligen Leiters der gerade neu erbauten Straßen- und Autobahnmeisterei an den heutigen Standort.
Der nach Abschluss der Umbauarbeiten etwa 1971 an gleicher Stelle errichtete Nachfolgestein zerbrach in zwei Teile, als er 1995 im Zuge der Vorbereitungen zur grundlegenden Neugestaltung des Frankfurter Kreuzes abgeräumt werden sollte; die beiden Hälften landeten im Bauschutt.


Bild 2 Wie die Abbildung zeigt, Zweiter Standort des Kilometersteins auf der A 8, Fahrtrichtung Karlsruhe (Foto Katz)

Im Zuge des Ausbaus der A8 zwischen Pforzheim und Dreieck Leonberg musste der Stein entfernt werden und fand im Einfahrtbereich der Autobahnmeisterei Heimsheim einen neuen Standort. Aufgrund der Auflösung der Autobahnmeisterei Heimsheim (sie war 1941 errichtet worden und stand zuletzt unter Denkmalschutz; inzwischen hat das Land Baden-Württemberg die Anlage verkauft) verlagerte die Autobahnverwaltung den Kilometerstein in die Zufahrt zur Autobahnmeisterei Ludwigsburg an der A81 Leonberg – Heilbronn. 

Die Idee für die Berliner Kilometersteine hatte der Hamburger Verleger und CDU-Politiker, Gerd Bucerius. Er gehörte von September 1949 bis Februar 1962 dem deutschen Bundestag an und war während der ersten Wahlperiode 1949 – 1953 Vorsitzende des Berlin-Ausschusses. Die Planung sah vor, auf allen Autobahnen im Abstand von jeweils 100 km „Berliner Meilensteine“ zu platzieren. Die Mittel für die Aktion stammten aus dem Bundeshaushalt. Die vom Bund mit der Verwaltung der Autobahnen beauftragten Länder mussten nur die Kosten für die örtliche Aufstellung tragen.

Das Meilenstein-Motiv, ein das Stadtwappen symbolisierender, stilisierter Berliner Bär, stammt von der Berliner Bildhauerin Renée Sintenis. Sie schuf auch die Skulptur des Bären für die Berliner Filmfestspiele und ferner die 1957 auf dem Mittelstreifen der heutigen A 115 bei Dreilinden aufgestellte Bärenplastik. Ein Prototyp – ohne Kilometerangabe – ist vor der Reneé-Sintenis-Grundschule in der Grünanlage am Laurinsteig in Berlin-Frohnau zu sehen. [2]

An den deutschen Autobahnen blieben erfreulicherweise mehrere Berliner Gedenksteine erhalten. Am 30.01.1954 fand die Einweihung des auf dem Mittelstreifen der heutigen BAB A2 bei km 349,680 zwischen dem Kamener Kreuz und der Anschlussstelle Oelde platzierten Meilensteins Spexard (Aufschrift: Berlin 400 km) statt; der Stein steht jetzt seitlich der Richtungsfahrbahn Berlin. [3] Am 15. Juni 1958 wurde der Gedenkstein am Ende der Autobahn Köln – Aachen (heute BAB A4) enthüllt (Aufschrift: Berlin 623,5 km). [4] Ein Erinnerungsstein ist noch heute nördlich von München an der Einfahrt zur Raststätte Köschinger Forst (Fahrtrichtung Nürnberg) zu besichtigen; er trägt die Aufschrift „Berlin 500 Kilometer“. [5] Im Jahr 1964 wurde nördlich der Autobahnanschlussstelle zur A9 München-Freimann eine Bronzestatue aufgestellt (vermutlich die gleiche Skulptur wie der sogenannte „Zehlendorfer Bär“ vor dem Zehlendorfer Kreuz). [6] Einen weiteren ´Autobahn-Meilenstein’ haben die Berliner Bärenfreunde bei km 149,850 auf dem Mittelstreifen ca. 1,350 km vor der Anschlussstelle Königslutter in Fahrtrichtung Berlin geortet. [7]

Alle Entfernungsangaben auf den Meilensteinen bezogen sich auf den preußische „Null-Meilenstein“, der seit 1730 als Referenzpunkt auf dem ehemaligen Berliner Dönhoffplatz stand. 1979 wurde eine Kopie des „Null-Meilensteins“ nahe den Spittel-Kolonnaden an der Leipziger Straße in Berlin errichtet, weil der Ursprungsstein dem Bau des Palastes der Republik weichen musste. [8]

Spätestens mit der Wende verloren die „Berliner Meilensteine“ ihre Funktion. Ihre Bedeutung hatte aber schon im Kontext der Entspannungspolitik in den 1970er Jahren nachgelassen.

Die Arbeitsgemeinschaft Autobahngeschichte wird über ihr Netzwerk untersuchen, ob solche Gedenksteine an weiteren Autobahnen oder im Verborgenen auf den Höfen von Autobahnmeistereien existieren. Es ist zu hoffen, dass die Straßenbauverwaltungen der einzelnen Bundesländer solche Erinnerungssteine bei allfälligen Baumaßnahmen an den Autobahnen sichergestellt und an geeigneten Orten aufbewahrt haben – siehe das Beispiel Frankfurt.

Anmerkungen

[1] Zur Einweihung des ersten ´Berliner-Bären-Meilensteins’ siehe Der Spiegel 4/1954 vom 20.01.1954; Die Zeit Nr. 3/1954. Zum Frankfurter Gedenkstein siehe auch Berliner Zeitung vom 26.10.2010.

[2] Vgl. Stichwort „Berliner Bär“ bei http://www.wikipedia.org

[3] Der Berliner Bär – Mitteilungen des Vereins der Berliner Bärenfreunde e.V. Nr. 42 I. Quartal 2011, 28f.

[4] Der Berliner Bär – Mitteilungen des Vereins der Berliner Bärenfreunde e.V. Nr. 42 I. Quartal 2011, 18f.

[5] Vgl. dazu das Stichwort „Berliner Bären auf der Autobahn“ auf dieser Homepage sowie die Homepage der Berliner Bärenfreunde e.V. https://www.berliner-baerenfreunde.de/web/. Der Verein „Berliner Bärenfreunde e.V.“ bestätigte mit E-Mail vom 27.04.2013, dass der Stein dort noch steht.

[6] Siehe Stichwort „BAB A9“ bei http://www.wikipedia.org und Der Berliner Bär – Mitteilungen des Vereins der Berliner Bärenfreunde e.V. Nr. 34, 1. Quartal 2009, S. 23.

[7] Der Berliner Bär – Mitteilungen des Vereins der Berliner Bärenfreunde e.V. Nr. 51, 2. Quartal 2013, S. 28.

[8] Siehe dazu die Ergebnisse der Berliner Forschungsgruppe Meilensteine http://www.wikipedia.org .

© Reiner Ruppmann, Bad Homburg, April 2013

www.autobahngeschichte.de

Die Initiative von Michael Damm, Berliner Meilensteine, stellte schon am 15. April 2011 für diesen Stein an seinem heutigen Standort in der Autobahmeisterei Frankfurt einen Antrag auf Denkmalschutz. Mehr Informationen dazu unter www.berliner-meilensteine.de

Artikel aus der Frankfurter Rundschau vom 11.11.2010

Leserbrief von Christa Junge zum Artikel aus der Frankfurter Rundschau vom 11.11.2010